Vor einigen Tagen war die australische Wissenschaftlerin Angela Brew von der MacQuarie Universität zu Gast am HUL. Angela beschäftigt sich seit langer Zeit mit Undergraduate Research und konnte uns mit ihrer Erfahrung wertvolle Anregungen für unsere Arbeit im FideS-Projekt geben. Wir nahmen uns zwei Tage Zeit, um mit Angela über ihre und unsere Erkenntnisse zum forschenden Lernen zu diskutieren. Angela warf immer wieder die Frage auf, welche (Aus-)Bildung Studierende brauchen, um auf die Welt im 21. Jahrhundert vorbereitet zu sein. Damit bohrt sie tief in den Kern universitärer Lehre und gibt eine eindeutige Antwort: Forschendes Lernen ist vor allen anderen Lehr-/Lernformen diejenige, die zur Beurteilung von Informationen und ihrer Quellen, zu kritischem Denken und letztlich zu einem Verständnis unterschiedlicher Wissensformen und Wegen der Wahrheitsfindung führen kann.

Der Anlass für Angelas Besuch war die Entwicklung unseres Doppelradmodells (nähere Beschreibung hier), das auf ihrem Modell zum forschenden Lernen aufbaut. Wir diskutierten verschiedene Aspekte des Modells und seine Anwendbarkeit, wobei uns zunächst erneut deutlich wurde, wie schwierig die Übertragung deutscher Begriffe ins Englische sein kann. Nichtsdestotrotz beurteilte Angela gerade den Wert des Modells als Reflektions- und Diskursinstrument als relevant, bspw. für die Weiterbildung von Lehrenden.

Wir konnten Angela dafür gewinnen, einen öffentlichen Vortrag zu halten, den sie mit dem vielversprechenden Slogan „Gateways to the Future“ betitelte. Darin stellte sie eine Matrix von Undergraduate Research vor, in der sie drei Grundformen studentischen Lernens anhand ihres Forschungsanteils unterscheidet: Undergraduate Learning, Atomistic Undergraduate Research Development und Wholistic Undergraduate Research. Die dazugehörige Studie kann in der Zeitschrift Teaching in Higher Education hier nachgelesen werden. Uns erinnerte diese Unterscheidung an eine Differenzierung, die wir im FideS-Projekt nutzen und die auf einer höheren Ebene liegt wie unser Doppelradmodell, nämlich die Grafik von Reinmann (2016), die Learning about Research, Learning for Research und Learning through Research unterscheidet (ebenfalls beschrieben hier). Scheinbar kommen konzeptionelle Überlegungen und empirische Studien an unterschiedlicher Stelle zu ähnlichen Ergebnissen und zu beinahe einheitlichen Formen foschungsnaher Lehre. Als Zielperspektive formulierte Angela die Vision, dass Studierende zu Co-Creators des Curriculums und zu Partner*innen in seiner Planung und Durchführung werden.

Den darauffolgenden Tag nutzten wir, um gemeinsam mit unseren Projektpartnern von der TU Hamburg über deren Projekte und Ansätze forschenden Lernens zu sprechen. Ulrike Bulmann stellte das Qualifikationsprogramm der TU vor, das neu angestellte Lehrende auf die forschungsnahe Lehre vorbereitet. Siska Simon präsentierte das Interdisziplinäre Bachelorprojekt, das Teil des Forschungsgegenstandes von FideS ist. Im IDP erhalten Studierende der Ingenieurwissenschaften im ersten Semester einen Konstruktionsauftrag, den sie eigenständig bearbeiten. So konnten wir Angela ein Beispiel für die Weiterbildung der Lehrenden und ein Beispiel studentischer Projektarbeit zeigen, anhand derer wir die Relevanz von Rollenverständnissen und Wissenschaftskonzepten auf Seiten der Lehrenden ebenso wie Motivation und Neugier auf Seiten der Studierenden diskutierten.

Angela Brew am HUL

Angela Brew am HUL

In vielen unserer Gespräche über die übergreifenden Ziele des forschungsorientierten akademischen Lehrens und Lernens schwangen aktuelle politische Ereignisse, vor allem in Großbritannien und den USA, mit. Angela bemerkte treffend: Die Schlüsselerkenntnis für Studierende müsse sein, Wege zu entdecken, um sich der Wahrheit anzunähern und mit der Unsicherheit, die durch unterschiedliche Wissens- und Wahrheitskonzepte entsteht, umzugehen – in Zeiten, in denen manche Aussagen als absolut gesetzt und andere als „alternativ“ diffamiert werden, scheinen solche Lernprozesse wichtiger denn je. Im FideS-Projekt wurden wir jedenfalls dazu angeregt, über einzelne Projekte und die Lehrveranstaltungsebene hinauszublicken und fast schon globale (im Sinne weltumspannender) Ziele forschenden Lernens in den Blick zu nehmen.